Sprachentwicklungsstörungen - Jedes 10. Kind braucht Hilfe
Barmherzige Brüder Linz

Etwa 10 Prozent aller Kinder in Österreich leiden an mehr oder weniger ausgeprägten Sprachentwicklungsstörungen. Diese können sich nicht nur auf das Lernen, sondern auch auf die psychische Entwicklung auswirken. Je früher Sprachprobleme erkannt werden, desto besser lassen sie sich thera­pieren. Screeningverfahren können neben dem Pädiater auch durch den Hausarzt durchgeführt werden. Worauf es an­kommt erklärt Priv.­Doz. Dr. Daniel Holzinger, der Leiter des Zentrums für Kommunikation und Sprache bei den Brüdern.

„Sprache ist nicht nur eine entscheidende Grundlage zu Information zu gelangen und somit für das Lernen, sondern auch für den Aufbau von Beziehungen und die emotionale Entwicklung eines Kindes. Die Wichtigkeit von Sprache in unserer Gesellschaft nimmt insgesamt zu und auch die Anforderungen in der Berufswelt sind gestiegen, daher sollte eine Sprachentwicklungsstörung sobald wie möglich diagnostiziert und behandelt werden“, informiert Priv.-Doz. Dr. Daniel Holzinger, der Leiter des Zentrums für Kommunikation und Sprache. 
Das Sprachtherapiezentrum wurde 2017 als Teil der Neurologisch linguistischen Ambulanz der Brüder eröffnet, um betroffenen Kindern adäquate Unterstützung zu gewährleisten. Diagnostische, therapeutische, soziale und pädagogische Angebote verhindern, dass diese Menschen mit Sprach-, Kommunikations- und Lernstörungen letztendlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt wer-den. Um den Problemen von Anfang an entgegenwirken zu können, würde es Dozent Holzinger begrüßen, wenn es im Bereich der Entwicklungsmedizin eine flächendeckende Umsetzung des bereits verfügbaren Sprachscreenings geben würde.
 

Sichere Hinweise auf eine  Sprachentwicklungsstörung 
„Sichere Hinweise auf eine Sprachentwicklungsverzögerung sind ab etwa zwei Jahren zu entdecken. Wenn ein Kind in diesem Alter noch unter 50 Wörter spricht oder keine zwei Wörter zu ersten Äußerungen verbinden kann, zählt es zunächst zu den ,Late Talkern‘.“, klärt Dozent Holzinger auf.
„Late Talker“ lassen sich durch das Screeningverfahren SPES gut erkennen. Eltern brauchen lediglich einen kurzen Fragebogen zum Wortschatz ihres Kindes auszufüllen, der entweder beim Kinderarzt aufliegt, oder den man unter: http://www.kindersprache.org/unit/kindersprache/spes nach einer einfachen Registrierung herunterladen, oder in der Neuro-logisch linguistischen Ambulanz bestellen kann.

Weitere Tests
Bei Kindern mit geringem aktivem Wortschatz sollte als 2. Teil des Screenings SPES eine kurze Über-prüfung des Verstehens von Wörtern durchgeführt werden. Liegt nur eine Verzögerung des aktiven Wort-schatzes vor, ist die Wahrscheinlichkeit aufzuholen sehr hoch, Eltern erhalten hier eine Broschüre zur Sprachförderung im Alltag. (Eltern-ratgeber unter: www.bblinz.at/ISSN, Sprach- und Lernstörung / Sprachtherapiezentrum). „Ausreichend Zeiten uneingeschränkter Zuwendung von Eltern zu ihrem Kind sind von entscheidender und nachhaltiger Bedeutung für die kindliche Entwicklung von Sprache und Denken. Insbesondere in den ersten Lebens-jahren sollte die Medienverwendung gering gehalten werden, denn Sprache wird nur in der Interaktion gelernt“, gibt der Klinische Linguist zudem zu bedenken.
Bei Kindern mit zusätzlichen Problemen beim Verstehen von Wörtern wird eine Abklärung in der Neurologisch linguistischen Ambulanz empfohlen.

Tipps für Eltern zur frühen Sprachförderung im Alltag

  •  Kinder lernen Sprache durch Gespräche mit Bezugspersonen während gemeinsamer Alltagsaktivitäten, beim Spielen oder gemeinsamen Besprechen von Bilderbüchern. Daher sollte man sich täglich die Zeit nehmen und die Gelegenheit zur Sprachförderung im Alltag nutzen.
  • Empfehlenswert ist es, Sprachinseln aufzubauen. Damit sind alltägliche Tätigkeiten oder Rituale gemeint. Zum Beispiel ein Essensritual oder eine Gute-Nacht-Geschichte. Durch wiederholte Erfahrung gewinnt das Kind an Sicherheit und es entsteht ein Gerüst, durch dessen Stabilität es einen Einstieg in die Sprache findet.
  • Das Erlernen von Sprache ist für ein Kind effektiver, wenn es sich selbst ins Gespräch einbringt. Daher sollte man auf die akutellen Interessen des Kindes achten und es anregen, über genau jene Dinge zu sprechen, die es besonders bewegt.
  • Gerade wenn ein Kind wenig spricht ist es ratsam, diesem die führende Rolle im Gespräch zu geben. Dabei sollte man seine Gesten oder Lautäußerungen abwarten und dann jeweils kurz darauf eingehen. Eltern sollten Ihren Gesprächsbeitrag eher kurz halten, sodass ihr Kind gleich wieder die Möglichkeit hat, sich einzubringen.
  • Kinder reagieren besonders auf Sprachmelodien. Durch diese können sie sogenannte „Schlüsselwörter“ im Satz besser heraushören und wichtige Informationen werden dadurch klarer. Empfehlenswert ist es, neue Wörter wiederholt anzubieten, damit das Kind die Möglichkeit hat, diese gehäuft zu hören und so in seinen Wortschatz zu integrieren. Zum Beispiel, wenn es einen Schmetterling seht:    Was ist das denn? Ein Schmetterling! –    Oh schau mal, da sitzt ein Schmetterling. –    Ja, das ist ein Schmetterling!
  • Eltern sollten sich beim Sprechen auf Augenhöhe des Kindes begeben, dadurch erlangen sie nicht nur dessen Aufmerksamkeit. Das Kind hat dadurch auch die Möglichkeit, Mundbild und Mimik seines Gegenübers besser zu sehen.
  • Äußerungen des Kindes sollten durch Vervollständigungen noch lückenhafter Sätze erweitert werden. "Vogel Baum" -> "Ja, der Vogel fliegt auf den Baum"