Alzheimerdemenz: Wie verhindern, was (noch) nicht heilbar ist? - Am Puls Ausgabe 05
Ordensklinikum Linz

Die Demenz ist ein Syndrom, bei dem die Betroffenen ihre geistigen Fähigkeiten verlieren und den Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigen können. Im Prinzip kann sie von jeder Erkrankung des Gehirns ausgelöst werden, die Alzheimerkrankheit gilt jedoch als häufigste Einzelursache.

Zwei wesentliche pathologische Formationen lassen die Demenz des Alzheimertyps entstehen:

  1. Amyloid-Plaques (Aβ-Plaques): Durch die Spaltung des Amyloid-Precursor-Proteins (APP) mittels β- und γ-Sekretase können Amyloid-Proteine die Zellmembran durchdringen und Aβ-Plaques entsteht.
  2. Neurofibrilläre Tangles: An den Ausstülpungen der Neuronen, möglicherweise im Bereich der Astrozyten, sondern sich zusammengehäufte Tau-Proteine, die neurofibrillären Tangles, ab.
     

Medikamentöse Therapie

Die meisten in Entwicklung befindlichen Präparate konzentrieren sich auf eine der beiden Formationen. 60% der Wirkstoffe, die sich in Phase 3 befinden, versprechen nur eine Linderung oder Verzögerung der Erkrankung. „In die Entwicklung ist Bewegung gekommen, aber der Patient profitiert derzeit leider noch kaum davon“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Lampl, Ärztlicher Direktor und Leiter des Zentrums für integrative Alternsmedizin am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Die Gründe dafür sind vielfältig. Für die Entwicklung derartiger Medikamente steht nur ein vergleichsweise geringes Forschungsbudget zur Verfügung. Dazu kommen gravierende methodische Probleme – über 20% Fehldiagnosen im Frühstadium, die Variabilität des natürlichen Krankheitsverlaufs und eine unzureichende Erfassung exekutiver Störungen erschweren die Entwicklung wirksamer Präparate. Die bereits verfügbaren Antidementiva ermöglichen beispielsweise nur eine Verzögerung im Krankheitsverlauf von bis zu einem halben Jahr.
 

Früherkennung und Prävention

„Problematisch ist, dass bei den Studien nur hochgradig Erkrankte mit den neuen Präparaten behandelt werden“, erklärt Lampl. „Eigentlich müssten wir die Patienten schon in der präklinischen Phase behandeln, um zu verhindern, was in weiterer Folge entsteht.“ Doch: Demenz kann im frühen Stadium zwar diagnostiziert, aber nicht ausreichend behandelt werden. Aus diesem Grund hat die Prävention einen umso höheren Stellenwert. Denn neben Faktoren, die der Einzelne nicht beeinflussen kann – etwa die genetische Disposition – gibt es durchaus Maßnahmen, die das Risiko deutlich reduzieren können. 

Vier Tipps zur Alzheimerprävention

  1. Treiben Sie Sport!
    2012 wurde der Botenstoff Irisin, ein muskelaktives Molekül, entdeckt. Es wird bei Bewegung, vor allem beim Muskelaufbautraining, gebildet. Ein hoher Irisinspiegel wirkt sich positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit aus. „Je mehr Sie trainieren und je höher Ihr Irisinspiegel ist, desto geringer ist das Risiko an Alzheimer zu erkranken“, erklärt Lampl.
     
  2. Legen Sie sich einen Hund zu!
    Dieser Ratschlag ist eng mit dem ersten Tipp verbunden. Eine Studie aus dem Jahr 2015 hat gezeigt, dass ältere Hundebesitzerinnen deutlich seltener an Alzheimer erkranken. Das Haustier sorgt dafür, dass sich die Besitzer mehr bewegen (müssen), wodurch dementsprechend der Irisinwert steigt. Auch die sozialen Interaktionen mit dem Tier oder bei den Spaziergängen wirken sich günstig aus.
     
  3. Trinken Sie drei Tassen Kaffee am Morgen!
    Ebenso kann Koffein das Risiko einer Alzheimerdemenz reduzieren. Laut einer 2016 publizierten Studie sorgt die Aufnahme von mehr als 175 mg Koffein pro Tag für eine positive Wirkung – das entspricht in etwa drei Tassen Kaffee. Jedoch gibt es zwei wichtige Einschränkungen: „Wenn Sie im Alter mehr Kaffee trinken als in der Jugend, haben Sie ein höheres Risiko als bei einem über die Jahre konstanten Kaffeekonsum“, so Lampl. Und: die drei Tassen Kaffee sollten am Morgen konsumiert werden – gerade im Hinblick auf den abschließenden Tipp.
     
  4. Schlafen Sie sechs bis neun Stunden!
    Eine zu kurze Schlafdauer erhöht ebenfalls das Alzheimerrisiko. „Wenn Sie zu wenig schlafen, dann kann sich das β-Amyloid im Bereich des Hippocampus anreichern“, sagt Lampl. Empfohlen wird eine Schlafdauer von sechs bis neun Stunden.

Zuweisermagazin AM PULS - Ausgabe 05 - Dezember 2019

 

Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Lampl
Stellvertretender Ärztlicher Direktor und Leiter des Zentrums
für integrative Alternsmedizin,
Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

MEHR ZUM THEMA

Studien

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Präsentation

Im September 2019 hat Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Lampl beim Kongress Alternsmedizin trifft Pharmakologie zu diesem Thema referiert. Die Präsentation zu diesem Vortrag können Sie hier herunterladen (PDF).